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Friedenspfad - Ein Stadtrundgang zu Denkmalen und Orten des Gedenkens in Lüneburg

Ort des Gedenkens „Gestapo-Zentrale“

Vertreibung und Verfolgung in Lüneburg

Die Zentrale der Geheimen Staatspolizei in der Julius-Wolff-Straße

Die Geheime Staatspolizei
Die geheime Staatspolizei, abkürzend Gestapo genannt, war die Geheim- und Politische Polizei des dritten Reiches und nahm als solche einen entscheidenden Teil der Geschichte des dritten Reiches ein. Im Gegensatz zu anderen Institutionen dieser Zeit, beispielsweise der Wehrmacht, war ihr Wirken hauptsächlich nach innen gerichtet und so nimmt die Gestapo als Sinnbild der Unterdrückung des eigenen Volkes und des Verrats unter Landsleuten eine besondere Rolle ein. Nachfolgend sollen neben einer allgemeinen Untersuchung vor allem ihr Wirken in Lüneburg beleuchtet werden.

Entstehung
Die Geheime Staatspolizei wurde am 26. April 1933 offiziell gegründet. In ihrem internen personellen und organisatorischen Aufbau schloss sie großenteils an den der Polizei der Weimarer Republik an. So war auch die Idee der Zentralisierung der Polizei, die Heinrich Himmler später durchsetzte, bereits vor der NS Zeit entstanden. 1 Nach Carsten Dams und Michael Stolle trifft die Aussage einer personellen Kontinuität für das Land Preußen jedoch nicht zu. Hier seien vermutlich nur etwa die Hälfte der Polizeibeamten Teil der neuen politischen Polizei geworden. Vor allem im höheren Dienst habe es zahlreiche Entlassungen und Versetzungen gegeben.2 Als Instrument der Unterdrückung in einem totalitären Staat wurde der Gestapo eine gesonderte Stellung im System zuteil und damit ein Handlungsraum eröffnet, der jenseits jeglichem geltenden Rechts lag. Diese Ausnahmestellung wurde neben den drei Gesetzen zur Gestapo mit einem Beschluss des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom Mai 1935 untermauert. Für Unternehmungen der Gestapo als Sonderbehörde wurden weitere Untersuchungen als nicht notwendig befunden.3 Im Rahmen des ersten Gesetzes zur Gründung wurde es der geheimen Staatspolizei zunächst zum Auftrag gemacht sogenannten „staatsgefährlichen“4 Unterfangen im Reich nachzuspüren. Dams und Stolle weisen hier auf den Ermessensspielraum, den die Gestapo durch diese ungenaue Formulierung ausnutzen konnte, hin. Mit dem zweiten Gesetz vom 30. November 1933 begann der Prozess einer vollständigen Herauslösung der Gestapo aus den Angelegenheiten des Innenministeriums und der lokalen Polizei und wurde damit direkt Hermann Göring, der preußischer Ministerpräsident war, unterstellt.5 Die Ernennung Himmlers zum „Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“6 im Juni 1936 sehen Mallmann und Paul als die nun formal besiegelte „Verreichlichung“7 und „Entstaatlichung“8 der Geheimen Staatspolizei.9 Im Februar 1936 wurde das dritte Gestapo Gesetz verabschiedet. Hierin wurde vor allem deren bestehendes „Schutzhaftmonopol“10 festgehalten.11 Mit dem alleinigen Befehl einer Schutzhaft, also ohne richterlichen Beschluss konnte die Gestapo nun Inhaftierungen in Konzentrationslager anordnen.12 Die formale Zentralisierung der Polizei wurde am 27.September 1939 mit der offiziellen Gründung das „Reichssicherheitshauptamt“ (RSHA) vollendet, das zugleich Behörde als auch Hauptamt der SS war. Polizei und SD, der Sicherheitsdienst der SS, sollten hier zusammengeführt werden. Die Gestapo befand sich im Amt IV dieser Behörde, als erstrangig und überwiegend ausführendes Organ wieder. Von hier sollten sämtliche lokale Stapostellen dirigiert werden. Jedoch konnte eine solche zentrale Steuerung nie vollends in die Tat umgesetzt werden, sodass die regionalen Einrichtungen stets einen hohen Grad an eigener Entscheidungsfreiheit in ihren Maßnahmen beibehielten.13

Politische Verfolgung
Die Gestapo war für die Verfolgung der Gegner des Regimes, also für die Aufklärung sämtlichem, der Gesinnung des Staates nicht konformen Verhaltens zuständig. Daraus entstanden verschiedene Feindbilder. Dazu gehörten erstrangig Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, „Fremdvölkische“, Homosexuelle, „Arbeitsscheue“, „Asoziale“ und Angehörige von Religionsgemeinschaften.14

Zu Anfang, schon vor der Machtergreifung Hitlers und der Gründung der Gestapo, galt die Aufmerksamkeit der Polizei in ihrer Praxis der Verfolgung vorrangig den Kommunisten und den Sozialdemokraten. Dies drückte sich in großangelegten Razzien und massenhaften Verhaftungen aus. Wurde ein Mitglied einer Organisation gefasst, so wurden mittels gewaltsamen Verhören häufig Geständnisse erpresst und somit große Netzwerke entlarvt. Die Mitglieder wurden dann wegen „Verschwörung und Vorbereitung zum Hochverrat“15 verurteilt, ins Zuchthaus und später in Konzentrationslager eingeliefert. Dies führte 1937 zu einer Überfüllung der Konzentrationslager.16

Die Verfolgung der Juden im dritten Reich beschränkte sich zunächst auf die Schikane von einzelnen Personen, besonders Rasseschändern und kleineren Gruppierungen. Anzeigen und Denunziationen kamen hier meist auch von Seiten der Bevölkerung. Die „Nürnberger Rassengesetze“ von 1935 verfestigten eine neue Dimension der Hetze gegen Juden, die mit dem Aufbau von „Judenreferaten“ in den Gestapostellen institutionalisiert wurde. Nach der Reichsprogromnacht am 9.November 1938 organisierte die Gestapo die Verschleppung von 26000 Männern und Jugendlichen in Konzentrationslager. Stets wurde die Emigration von Juden gefördert und anschließend deren gesamtes Eigentum in Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden sichergestellt. Mit Beginn des Krieges wurden die Verordnungen gegen Juden immer strikter und absurder. Unter anderem wurden Ausgangssperren verhängt, der Besitz von Rundfunk- und Telefongeräten verboten, die Freundschaft zu Juden untersagt, jüdische Schulen geschlossen und grundlose Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ab Februar 1940 organisierte und unternahm die Gestapo die Deportationen der Juden in die Konzentrationslager. Die Abzuholenden wurden dazu willkürlich aus den „Judenkarteien“ der „Judenreferate“ der Polizeistellen ausgewählt.17

Mit Beginn des Krieges kamen viele ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene nach Deutschland, die aus vornehmlich wirtschaftlichen Gründen im Reich beispielweise zur Errichtung nationalsozialistischer Monumentalbauten herangezogen wurden. Je nach Herkunft wurde diesen eine unterschiedliche Behandlung zuteil. So waren die West- und Südeuropäer im Ansehen der Nazis den „Ostarbeitern“, die als „Untermenschen“ galten, gegenüber höhergestellt. Beziehungen zu Deutschen Frauen endeten für Männer aus dem Osten in der Regel mit dem Tod durch Erhängung, „Westarbeitern“ drohte mehrjährige Haftstrafen. Auch die deutschen Frauen wurden inhaftiert oder sogar direkt in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überführt. Um diese und andere „Gefahren“, die aus der Sicht der Nazis also besonders von Arbeitern und Gefangenen aus dem Osten ausgingen, in Schach zu halten, wurde mit dem „Einsatzbefehl Nr.9“ von Reinhard Heydrich angeordnet, sämtliche sowjetische Kriegsgefangene auf eventuelle besonders staatsgefährdende Eigenschaften hin zu untersuchen. Die Betroffenen wurden dann mittels einer „Aussonderung“, bzw. „Sonderbehandlung“ in Konzentrationslager oder Arbeitserziehungslager (AEL), die direkt der Führung lokaler Gestapostellen unterstanden, eingewiesen und dort hingerichtet. Hinrichtungen aus verschiedenen, auch nichtigen Gründen, wie ein „Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin“18 waren in solchen Lagern keine Seltenheit. Die Exekutionen fanden öffentlich, zur Abschreckung und unter gelöhnter Mitarbeit der anderen Arbeiter statt. Gegen Ende des Krieges kam es in solchen Lagern zu mehreren Massenhinrichtungen.19

Die Gestapo in Lüneburg
Bereits zur Zeit der Weimarer Republik wurde 1925 eine Politische Polizeibehörde eingerichtet, die nach den Wirren der Revolution von 1918/19 politisch motivierte Straftaten, insbesondere Hoch- und Landesverrat, verfolgen sollte. In Preußen hatte eine entsprechende Behörde bereits vor dem Ende des ersten Weltkrieges eine lange Tradition. In Lüneburg als preußischem Regierungsbezirk wurde 1927 in Harburg-Wilhelmsburg eine Landeskriminalpolizeistelle eingerichtet, die die Aufgaben des Berliner Polizeipräsidiums auf Bezirksebene erfüllte. Dabei wurde sie auf unterer Ebene von Landjäger-Korps oder von der kommunalen Polizei unterstützt. Mit der Machtergreifung wurde die bestehende Politische Polizei direkt in die 1933 entstandene Geheime Staatspolizei eingegliedert. Die bestehenden Strukturen wurden weitestgehend übernommen, so auch die Lüneburger Bezirksstelle in Harburg-Wilhelmsburg. In den folgenden Jahren bemühten sich die Machthabenden darum, die Gestapo-Stelle nach Lüneburg zu verlegen, um auch eine geografische Nähe zu Regime-Institutionen wie Regierungssitz und Parteiverwaltung des Gaues Lüneburg herzustellen. Nachdem der Neubau einer Gestapo-Zentrale in Lüneburg nicht realisiert wurde, wurde zunächst eine Gestapo-Außendienststelle in der Reitende-Diener-Straße eingerichtet, bevor die Gestapo zum 1. Juli 1940 eine eigenständige Dienststelle in der Julius-Wolff-Straße 4 bezog. Nach einer Verhöraussage eines ehemaligen Gestapo-Mitgliedes waren in der Lüneburger Gestapo-Stelle etwa 30 bis 50 Personen beschäftigt.20 Abgeleitet von der fortlaufenden Vorgangs- und Aktenzeichennummerierung wird davon ausgegangen, dass jährlich mehrere tausend Fälle bearbeitet wurden, im Jahr 1942 mindestens4771, im Jahr 1944 mindestens 6645 Stück.21 Die Kompetenzen der Lüneburger Gestapo wurden mehrfach geändert, zeitweise waren ihr neben dem Bezirk Lüneburg auch die Außenstellen Wesermünde, Stade, Verden, Cuxhaven sowie das Grenzpolizeikommissariat Cuxhaven unterstellt.

Erinnerungskultur in Lüneburg
Aus der Verantwortung heraus, die Schuld am zweiten Weltkrieg zu tragen, besteht in der deutschen Gesellschaft ein großes Interesse daran, über die Geschichte des dritten Reiches aufzuklären und ihr zu Gedenken. Jeder Schüler wird auf kurz oder lang im Geschichtsunterricht mit der Zeit des Nationalsozialismus als Thema konfrontiert und auch in öffentlichen Medien, besonders in jüngerer Vergangenheit durch die Causa „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bestärkt, ist das Thema omnipräsent. Dabei wird thematisch sehr breit über den Ablauf von Wirtschaftskrise 1929 über die Machtergreifung Hitlers bis zum Weltkrieg berichtet, der Maßstab der Berichterstattung ist in aller Regel aber groß gewählt. Über den regionalen Bezug zur Geschichte ist oft wenig bekannt. Dabei war es im Totalitarismus des dritten Reiches kaum möglich, sich den mittelbaren oder unmittelbaren Auswirkungen der Nationalsozialisten zu entziehen. Jeder normale Bürger hatte mit einer gewissen Schnittmenge zum System zu leben oder darunter zu leiden. Da das Friedenspfad-Projekt mit seinen Stationen immer direkten Bezug auf die Geschichte Lüneburgs nimmt, soll nachfolgend beleuchtet werden, in wieweit die Erinnerungskultur Lüneburg bereits Bezug auf Themen des Friedenspfades, besonders auf das Wirken der Gestapo, nimmt.

Lüneburg ist besonders für seine historische Altstadt und die hohe Menge an Altbausubstanz bekannt. So gibt es allein in der Innenstadt über 1000 Baudenkmale und noch einmal beinahe 500 Baudenkmale in den eingemeindeten Stadtteilen. Der historische Stadtkern ist Anziehungspunkt für viele Touristen und wurde durch seine sprichwörtlich malerischen Schönheit zum dauerhaften Thema in der Telenovela „Rote Rosen“ im ARD gemacht, die die Popularität weiter fördert. So gibt es beispielsweise Touristenführungen, die bekannte Schauplätze der Fernsehserie besuchen. Durch den überall sichtbaren und gelebten Bezug zur Vergangenheit haben sich aber auch diverse Angebote gebildet, die einen ganz direkten Bezug zur Geschichte der Stadt herstellen. Neben mittelalterlichen Stadtführungen und Führungen mit Bezug zur Hansezeit der Stadt gibt es Führungen, die über berühmte Bewohner oder Besucher der Stadt (Heinrich Heine, Johann Sebastian Bach, Heinrich der Löwe, etc.) aufklären. Auch diverse Führungen zur Architektur der Stadt werden angeboten („Historische Lüneburger Innenhöfe“, Rathausbesichtigungen, Führungen zur Backsteingotik, etc.). Dabei steht bei einem Großteil der Angebote wohl vielmehr der Unterhaltungscharakter als der aufklärerische Wert im Vordergrund.

Aufklärerischen Charakter mit wissenschaftlichem Anspruch haben die Museen Lüneburgs. So informiert das Deutsche Salzmuseum über das Lüneburger Mittelalter und den Lüneburgs Bezug zur Hanse, das Ostpreußische Landesmuseum stellt den Bezug Lüneburgs zu Preußen her, dessen Regierungsbezirk Lüneburg lange Zeit war. Das Museum für das Fürstentum Lüneburg, zurzeit im Umbau begriffen, arbeitet die gesamte Lüneburger Stadtgeschichte auf.

Klassischer Teil der Erinnerungskultur Lüneburgs ist neben den Denkmalen als erhaltene zeitzeugende Objekte und Bauten auch die Vielzahl der errichteten Denkmale, vor allem Gedenktafeln, Statuen und andere Plastiken. Neben Denkmalen zum dritten Reich und dessen Auswirkungen, gibt es auch diverse Gendenkstätten aus früherer Zeit (beispielsweise des ersten Weltkrieges, aus der Zeit der sogenannten Befreiungskriege). Dies hängt unter anderem mit Lüneburgs militärischer Geschichte als Garnisonsstadt zusammen.

Angebote, die Aufklärungsarbeit zur Zeit des Nationalsozialismus leisten, sind beispielsweise die Stadtführung „Lüneburg unter dem Hakenkreuz“, die an mehreren Stationen das Leben in der Stadt und ihre Verflechtungen zum Regime verdeutlichen. Organisiert wird die Führung von der Geschichtswerkstadt Lüneburg e.V.. Ebenfalls von der Geschichtswerkstadt ausgehend gibt eine Führung zu den 26 „Stolpersteinen“ in Lüneburg, die an Opfer des dritten Reiches in Lüneburg erinnern.

Erinnerung an das Wirken der Gestapo
Obwohl bekannt ist, dass die Julius-Wolff-Straße 4 Zentrale der Gestapo war, ist in der Straße selbst kein Verweis auf die Geschichte des Hauses zu finden. Zwar werden in den lokalen Printmedien (Kreisbote, Lünepost, LZ) periodenweise Artikel über das Gestapo-Haus am Liebesgrund veröffentlicht, eine Umfangreiche Broschüre zum Thema ist vom „Verein der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ publiziert worden und selbst im Internet sind Verweise auf die Geschichte des Hauses aufgeführt („Hotel Silber – Virtueller Geschichtsort“22), Angebote, die den unwissenden Interessierten als Adressaten haben sind vor Ort aber nicht vorhanden. Lediglich einige Führungen der Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V. haben die Julius-Wolff-Straße zum Ziel. Die Erinnerung an das Wirken der Gestapo setzt sich neben den Opfern vor allem auch mit den Tätern auseinander. Auch wenn diese Art von Ermahnung vergleichsweise tabuisiert ist, so zeigt doch der Vergleich mit ähnlich gearteten Themen (beispielsweise Konzentrationslager-Gedenkstätten) die Wichtigkeit dieser Arbeit. Es ist somit durchaus ein Nachholbedarf zu sehen. Ein geeigneter Rahmen für die Installation eines Denkmals wäre das Projekt Friedenspfade.

Das Haus in der Julius-Wolff-Straße
Die Häuser der Julius-Wolff-Straße 4 wurden 1910 von dem Architekt Hermann Matthies im Stile der Hannoverischen Backstein-Neugotik entworfen und in den Jahren 1910 bis 1912 von dem Bauunternehmer Adolf Kahlstorf errichtet.23 Es diente dann als Wohnhaus für mehrere Parteien und stand danach leer, bis es 1940 von der Gestapo bezogen wurde.24

Bedarf der Unterstützung durch die Hausgemeinschaft der Julius-Wolff-Straße 4
Das Haus der Julius-Wolff-Straße war bereits zu Beginn des Bauvorhabens als ein Mehrparteienhaus geplant. So wurden die Abmaßungen bewusst gewählt, großzügige Wohnungen zu ermöglichen. In der Julius-Wolff-Straße 4 befinden sich vier Wohneinheiten. Die Wohnung des Erdgeschoss gehört einer jungen Familie, der erste Stock gehört einem älteren Paar, die Wohnungen im zweiten und dritten Stock werden von einem Betriebswirt vermietet. So befindet sich das ganze Haus in Privatbesitz, alle Entscheidungen werden von der Hausgemeinschaft getroffen, die periodisch zu Sitzungen zusammenkommt. Bei entsprechenden Abstimmungen haben die beiden Parteien aus Erdgeschoss und erstem Stock jeweils eine Stimme, der Besitzer der beiden oberen Wohnungen zwei. Für die Installation einer Gedenktafel an der Hausmauer oder an der Zaunmauer ist allerdings eine Konsensentscheidung nötig, da diese die Persönlichkeitsrechte der Bewohner betrifft. Da somit die Zustimmung aller Parteien notwendig ist, soll im Vorfeld ein Stimmungsbild eingeholt werden, bevor eine Anfrage gestellt wird.

Um die persönliche Meinung der Mitglieder der Hausgemeinschaft am besten festhalten zu können entschieden wir uns, einen Fragebogen mit offenen Fragen, in denen Details der persönlichen Meinung und des Hintergrundwissens der Befragten zum Ausdruck gebracht werden können, zu gestalten. Von allgemeinen Themen führt der Fragebogen zum konkreten Gegenstand und eigentlichen Grund der Befragung, also der eventuellen Anbringung eines Hinweis- und Gedenkschildes zum Geschichtsort Julius-Wolff-Straße in unmittelbarer Nähe. Die Befragung gestalteten wir in Form eines persönlichen und wie oben erläutert problemzentrierten Interviews. Jedes Mitglied der Hausgemeinschaft wurde einzeln interviewt.

Fragebogenerstellung
Ziel unserer Befragung der Bewohner, bzw. der Hausgemeinschaft der Julius-Wolff-Straße 4 war es, das Meinungsbild zu einer etwaigen Installation eines Hinweisschildes zur Geschichte des Gebäudes, das somit Teil der neuen Stadtführung „Friedenspfad - Erinnerungskultur am Beispiel von Lüneburger Denkmälern“ werden würde, festzuhalten oder ob man sich perspektivisch sogar vorstellen könnte beispielwiese Führungen durch den Keller, den ehemaligen Verhörräumen der Gestapo, zu unterstützen. So ging es uns zunächst darum, das Hintergrundwissen der Interviewten zur Vergangenheit der Julius-Wolff-Straße zu erfassen und dabei eventuelle ungute Gefühle bezüglich dieser zu berücksichtigen. Anschließend sollte erfragt werden, in wie weit es dennoch als wichtig empfunden werde, über die Zeit des Nationalsozialismus in Lüneburg, auch an konkreten Orten des Geschehens wie in der Julius-Wolff-Straße, zu informieren und als wie wichtig die Rolle letzterer wiederum im Gesamtzusammenhang der Situation in Lüneburg zur Zeit des Dritten Reiches gesehen werde. Dazu wurde auch die Frage gestellt, inwiefern bereits vorhandene Stadtführungen Lüneburgs, die auch in der Julius-Wolff-Straße vorbeiführen, einen Störfaktor im Alltag darstellen. Zum Schluss wollten wir noch wissen, ob den Befragten je noch bestehende Hinweise zur Vergangenheit des Hauses aufgefallen sein. Bei allen gestellten Fragen wurde das Alter und die Zeitspanne, in der der jeweils Interwiete schon in der Julius-Wolff-Straße lebt, mit einberechnet.

Auswertungen und Ergebnisse der Interviews
Allen von uns Interviewten war die nationalsozialistisch relevante Vergangenheit des Hauses weitgehend klar, auch wenn zum Teil Unsicherheiten bei der Frage welche Institution es war, die hier ihren Sitz hatte, also Gestapo oder SA o.ä., auftraten. Niemand fühlte sich durch diese Tatsachen jedoch im Alltag oder sonst beeinflusst. Die bereits vorhandenen Stadtführungen mit Halt in der Julius-Wolff-Straße wurden von einem Großteil der Bewohner wahrgenommen, jedoch von keinem als störend empfunden. So schätzten es auch alle als sehr wichtig ein, über den Nationalsozialismus in Lüneburg zu informieren und in diesem Zusammenhang auch über das Gebäude in der Julius-Wolff-Straße. Die Frage zur Anbringung eines Informationsschildes im Rahmen des geplanten Stadtrundgangs „Friedenspfad“ beantworteten die Befragten reihum positiv. Dies müsste jedoch innerhalb einer baldigen Eigentümerversammlung noch einmal gemeinsam und offiziell beschlossen werden. Über eventuelle Führungen durch das Haus, insbesondere die Kellerräume sind sich die Befragten uneinig. Manche könnten sich dies grundsätzlich vorstellen, der größere Teil der Hausgemeinschaft hält dies jedoch nicht für nötig, da nur noch Weniges, heute noch Sichtbares direkt auf die ehemalige Gestapozentrale, die sich in den Räumen des Gebäudes befand, hinweist.


1 Vgl. Mallmann, Paul (2000): S.600f.
2 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.17f.
3 Vgl. Mallmann, Paul (2000): S.600
4 Dams, Stolle (2008): S.19
5 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.19
6 Dams, Stolle (2008): S.27
7 Mallmann, Paul (2000): S.601
8 Mallmann, Paul (2000): S.601
9 Vgl. Mallmann, Paul (2000): S.601
10 Dams, Stolle (2008): S. 29
11 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.29
12 Vgl. Mallmann, Paul (2000): S.601
13 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.31ff., Paul (2000): S.42f., Wildt (2000):S.13ff.
14 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.103ff.
15 Dams, Stolle (2008): S. 109
16 Vgl. Dams, Stolle (2008): S. 106ff.
17 Vgl. Dams, Stolle (2008): S.115ff., Mallmann, Paul (2000): S.640ff.
18 Dams, Stolle (2008): S.129
19 Vgl. Heusler (2000): S. 222ff., Wysocki (2000): S. 237ff., Otto (2000): S.201ff., Lotfi (2000): S. 255ff., Dams, Stolle (2008): S. 124ff.
20 Asmussen (et al.) (2011): S. 9
21 Asmussen (et al.) (2011): S. 10
22 http://www.geschichtsort-hotel-silber.de/das-netz-der-gestapo/deutsches-reich/staatspolizeistelle-lueneburg/
23 Preuß (2001): S.37
24 Asmussen (et al.) (2011): S. 8

Bibliografie
Asmussen, Peter (et al.) (2011): Die Staatspolizei Lüneburg. Strukturen und Täter. Lüneburg/ Verein der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
Dams, Carsten (2008): Die Gestapo. Herrschaft und Terror im Dritten Reich. München/ Verlag C.H. Beck
Paul, Gerhard/ Mallmann, Klaus-Michael (2000): Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg. Darmstadt/ Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Daraus:
Heusler, Andreas: Prävention durch Terror. Die Gestapo und die Kontrolle der ausländischen Zwangsarbeiter am Beispiel Münchens, S. 222-236
Mallmann, Klaus-Michael/ Paul, Gerhard: Die Gestapo. Weltanschauungsexekutive mit gesellschaftlichem Rückhalt, S. 599-650
Otto, Reinhard: Die Gestapo und die sowjetischen Kriegsgefangenen. Das Beispiel der Stapo-Stelle Nürnberg-Fürth, S. 201-221
Paul, Gerhard: Kämpfende Verwaltung. Das Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes als Führungsinstanz der Gestapo, S. 42-81
Wildt, Michael: Radikalisierung und Selbstradikalisierung 1939. Die Geburt des Reichssicherheitshauptamtes aus dem Geist des völkischen Massenmords. S.11-41
Wysocki, Gerhard: Lizenz zum Töten. Die ‚Sonderbehandlungs‘-Praxis der Stapostelle Braunschweig, S.237-254

Preuß, Werner H. (Hrsg.) (2001): Stadtentwicklung und Architektur. Lüneburg im 20. Jahrhundert. Husum/ Husum Druck- und Verlagsgesellschaft
Daraus:
Rümelin, Hansjörg: Historismus und Heimatstil Lüneburger Wohnbauten im Backsteinrohbau, S. 37

 


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