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Friedenspfad - Ein Stadtrundgang zu Denkmalen und Orten des Gedenkens in Lüneburg

Denkmal für Johanna Stegen

Johanna Stegen „Das Heldenmädchen von Lüneburg“

von Johanna Schneider (Wilhelm-Raabe-Schule)

Johanna Stegen ging durch ihre Tat bei den Befreiungskriegen gegen die Franzosen im Jahre 1813 als „Heldenmädchen von Lüneburg“ in die Geschichte ein und wurde 1913 mit einem Denkmal in Lüneburg geehrt.


Lüneburg unter französischer Fremdherrschaft 1803 – 1813

Nachdem in Frankreich die Revolution vorüber und Napoleon Bonaparte erster Konsul der Französischen Republik geworden war 1, zogen im Sommer 1803 erstmals französische Truppen in Lüneburg ein. Bis dahin war Lüneburg Teil des Kurfürstentums Hannover gewesen.
In der Zeit von 1803 bis 1813 wurde Lüneburg mehrfach von dem Französischen Kaiserreich besetzt, zwischendurch immer wieder von den feindlichen Truppen, also Russland, Schweden, Preußen, Österreich und England freigekämpft. Auch Teil des Königreichs Westfalens war Lüneburg kurzzeitig, allerdings wurde dieses von Napoleons Bruder Jèrôme Bonaparte beherrscht. Im Jahre 1813 forderte König Friedrich Wilhelm III. mit seinem Aufruf „An mein Volk“, seine Untertanen auf, sich von der feindlichen Besatzung zu befreien. Zu dieser Zeit, Frühjahr 1813, als Lüneburg mal wieder von Franzosen besetzt gewesen war, kamen den Bewohner Lüneburgs den Feinden der Franzosen, den Preußen und Kosaken, zur Hilfe. Durch die Hilfe Johanna Stegens gelang es den Verbündeten die Franzosen am 2. April aus der Stadt zu treiben. Die Freude der Befreiten durfte allerdings nicht sehr lange dauern, da bereits zwei Tage später stärkere französische Truppen die Stadt erneut einnahmen. Erst nach den endgültigen Befreiungsschlägen der Widerschacher Napoleons in der Schlacht in der Göhrde und der Völkerschlacht in Leipzig am 16. September 1813 war Lüneburg endgültig frei.


Das Leben der Johanna Stegen

Johanna Katherina Elisabeth Stegen wurde am 11. Januar 1793 als zweite Tochter ihrer Eltern Sophie Rahel, geborene Behrends, und Peter Daniel Stegen in Lüneburg geboren. Ihr Vater war in der Saline tätig. Zu seiner genauen Tätigkeit gibt es verschiedene Angaben, jedoch ist sicher, dass die Verhältnisse, in denen Johannas Familie lebte, eher bescheiden waren. Trotzdem besuchte sie die eine Schreib- und Rechenschule,  später eine Garnisonsschule. Als Peter Stegen starb, war Johanna 11 Jahre alt. Ihre Mutter musste nun ihr Geld durch ein Obstgeschäft verdienen, Johanna als Dienstmädchen bei einer verwitweten Zollverwalterin vor dem neuen Thore.

 Im 19. Jahrhundert waren Dienstmädchen häufig ein Teil der Familie und konnten so auch politische Geschehnisse mitverfolgen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass Johanna Stegen von dem Aufruf König Friedrich Wilhelm III. im Februar 1813 hörte, in dem er zu Befreiungskriegen gegen die Franzosen aufruft.2 Wann genau Johanna in den Dienst der Witwe trat, ist nicht bekannt, sie blieb dort jedoch bis zum April 1813, als sie den preußischen Truppen durch das Anschaffen neuer Munition half, die Franzosen aus Lüneburg zu vertreiben. Als zwei Tage später, am 4. April die Besatzungstruppen erneut anrückten und die Russen und Preußen sich zum Schutze der Stadt aus der Stadt zurückzogen, musste Johanna vor den Franzosen fliehen „und entkam ihren Häschern etliche Male nur in letzter Sekunde“ 3 Eine schreckliche Zeit des Versteckens begann für Johanna, in der sie unter großem Stress litt. Im Sommer floh sie über die Stadtbefestigung und fand Unterschlupf bei einem Pastor in Natendorf – bis dieses Versteck verraten wurde. Nun floh sie erneut - zurück zu ihrer Mutter nach Lüneburg. Bis zum Ende der Befreiungskriege im September 1813 wurde sie gejagt und musste ein halbes Jahr in und um Lüneburg für die Franzosen ungesehen bleiben. Im befreiten Lüneburg traf Johanna Stegen bei einem öffentlichen Essen Major von Reiche, der sie sogleich in seinen Dienst stellte. Johanna bereits am 11. Oktober nach Berlin zog, wo sie sich auch als Dienstmädchen einer besonderen Stellung erfreuen konnte. Die ersten Zeichen einer ernstzunehmenden Krankheit, wahrscheinlich durch die Aufenthalte in kalten und feuchten Kellern, waren dort schon erkennbar. Im Jahr 1814 lernte sie Oberjäger (später Feldwebel) Wilhelm Hindersin kennen und sie verlobten sich. Häufig unerwähnt bleibt die Tatsache, dass Johanna Stegen im Jahre 1815 von der Prinzessin Marianne von Preußen das eiserne Kreuz verliehen bekam, das auch auf ihrem Grabdenkmal in Berlin wiederzufinden ist. 4 Nach ihrer Tat 1813 verlief das Leben der Johanna Stegen, bis auf zwei Blutstürze, die sie erleiden musste, eher ruhig. Nach der Hochzeit mit W. Hindersin 1817 gebar sie vier Kindern, von denen das eine im Alter von vier Jahren starb, die anderen sich allerdings gut entwickelten. Sie starb recht früh im Alter von 49 Jahren, am 12. Januar 1842.


Der 2. April 1813 in Lüneburg

Die Darstellung der Taten Johanna Stegens und ihre eigene Motivation werden in allen mir auffindbaren Schriftwerken sehr unterschiedlich dargestellt.
Bestimmt lässt sich sagen, dass sie am Morgen des 2. Aprils, vom Lärm der eintreffenden preußischen Befreier-Truppen geweckt, auf dem Kalkberg dem Geschehen in der Stadt zusah und unruhig wieder zurück zu dem Haus, in dem sie diente, zurückkehrte. Dort, vor dem neuen Thore, oder auf dem Weg dorthin entdeckte sie einen umgestürzten Munitionswagen der französischen Truppen, auch in zwei Fässern neben dem Wagen fand sie Patronen. In ihrem selbst verfassten Erlebnisbericht [5] schreibt sie, sie hätte zu Anfang nichts mit den Patronen anfangen können 6, doch als Johanna plötzlich zwischen den kämpfenden Franzosen, Preußen und Russen stand und den preußischen Füsilieren die Munition ausging, sammelte sie die Patronen aus dem Munitionswagen in ihre Schürze und versorgte die Preußen damit. Dadurch sollen die Preußen in der Lage gewesen sein, die Franzosen an diesem Tag in die Flucht zu schlagen.


Beurteilungen ihrer Motivation

Johanna Stegen wurde als symbolische Figur der Befreiung der Stadt angesehen, jedoch bildeten sich drei bis heute umstrittenen Interpretationen ihrer Motivation heraus.
Ab 1813 wurden ihr von Zeitzeugen als Beweggründe Neugierde, Abenteuer- und Beutelust nachgesagt7. Häufiger jedoch wird ihre Tat als ungeplant und aus der Situation entstanden bezeichnet, vor allem in kritischen, teils feministischen Werken, die sich insbesondere auf ihre Person und Rolle beziehen. Allerdings wird auch in patriotischen Geschichtsschreibungen, wie z.B. in der Stadtchronik von Reinecke, in der sie zwar als „Heldenmädchen“ 8 benannt wird, ihre Tat jedoch eher als zufällige Situation zurückgeführt. Patriotismus ist besonders ein von Dichtern des 19. und Nationalisten des 20. Jahrhunderts  und angeführter Grund. So schreibt z. B. K. A. Varnhagen von Ense 1813: „Aus höheren Regionen / Entflammt sie Heldenkraft / Vom Boden die Patronen / Sie in die Schürze rafft“


Fazit

Ab 1813 wurden ihr zu Ehre Lieder, Gedichte und ein Drama geschrieben, vom Volk wurde sie bejubelt und mit dem Eisernen Kreuz erlangte sie politische Anerkennung.
Am Anfang des 20. Jh. gab es allerdings eine  „Renaissance des Johanna-Stegen-Kults“ 9. Im Zuge dessen wurden Flugblätter um ihre Person und Tat verteilt10, das Grabdenkmal in Berlin wurde 1908 eingeweiht sowie das Denkmal am Liebesgrund in Lüneburg zur 100-jährigen Jubiläumsfeier der Völkerschlacht 1913.
Doch worin lag der Grund dieses Widerauflebens nach 100 Jahren? Wohl in der allgemeinen nationalistischen Grundstimmung, die am Vorabend des 1. Weltkrieges herrschte. Diese generelle Gesinnung ermöglichte es der Sage um Johanna Stegen erneut so viel Gehör zu finden, dass ihr zuerst 1908 in Berlin und später in Lüneburg ein Denkmal gesetzt wurde. Letzteres entstand 1913, ein Jahr vor dem 1. Weltkrieg, der auch gegen Frankreich geführt wurde.
Auch Nationalisten griffen gerne aus Propagandazwecken auf die Geschichte der Johanna Stegen zurück, wie z.B. in einem Zeitungsartikel aus den „Lüneburger Anzeigen“ (Feb. 1945), der besagt, sie (und zwei andere erwähnte Frauen) hätten mit ihren Taten ihren „uralte[n] Wesenszug germanischen Frauentums neu aufgelebt und zu Ehren gebracht“ haben. 11
Fast 200 Jahre nach ihrer Tat scheint das Interesse an dem Heldenmythos „Johanna Stegen“ noch nicht verebbt zu sein – dieses Jahr erschien zuletzt ein Roman über sie und ihre Geschichte.12



Abb. 1: Gefecht um Lüneburg 2. April 1813 (Künstlerpostkarte, um 1913)


Abb. 2 : Johanna Stegen mit 24 Jahren Abb.2: Grabdenkmal in Berlin (von 1908)

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon_Bonaparte. Abgerufen am 1. 11. 2012
2 Sörensen, Constanze. Biographien Lüneburger Frauen.  S.15
3 Bauer, Frank.  Lüneburg 2. April 1813. S. 47
4 Regnath, Johanna., Mascha Riepl-Schmidt, Ute Scherb (Hg.).  Erobeerung der Gschichte – Frauen und Tradition. 
5 Nirgens in Gänze aufzufinden
6 Bauer, Franz.  Lüneburg 2. April 1813. S. 45
7 Sörensen, Constanze. Biographien Lüneburger Frauen. S.16. zitiert nach: Freudenthal, Friedrich. (1908).  S. 122.
8 Reinecke, Wilhelm. Geschichte der Stadt Lüneburg. S.411
9 Regnath, Johanna. (Hg.). Eroberung der Geschichte – Frauen und Tradition. 2007.
10 Siehe im Anhang Abb. 1
11 Rosendahl, Erich. Von Johanna Stegen bis Elenore Prohaska. ZVS Lüneburger Stadtarchiv.
12 Korthaus, Eberhard, Johanna Stegen – die Heldin von Lüneburg.

Literaturverzeichnis

Bauer, Dr. phil. Frank. Lüneburg 2. April 1813. Vol. Heft 21. Potsdam: Edition König und Vaterland, 2008.
Flocken, Jan von. Die Welt online. 31.07.2007 <http://www.welt.de/kultur/history/article1069312/Mutige-Preussinnen-kaempften-gegen-Napoleon.html>.
http://de.wikipedia.org/wiki/Lüneburg.
Johanna Regnath (Hg.), Mascha Riepl-Schmidt (Hg.), Ute Scherb (Hg.). “Eroberung der Geschichte - Frauen und Tradition.” Eroberung der Geschichte - Frauen und Tradition. Vols. Gender-Diskussion3. Hamburg: LIT Verlag Hamburg, 2007. 159ff.
Peters, Dr. Elmar. Lüneburg - Geschichte eine 1000jährigen Stadt. Lüneburg: Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg, 1999.
Reineke, Wilhelm. Geschite der Stadt Lüneburg. Lüneburg: Stadtverwaltung Lüneburg, 1933.
Rosendahl, Erich. “Von Johanna Stegen bis Elenore Prohaska.” Lüneburger Anzeigen (1945).
Sörensen, Constanze. Biographien Lüneburger Frauen - Politische Bedeutung von Frauen. Lüneburg: Soroptimist International - Club Lüneburg, 2005.
Unbekannt. “Die Einweihung des Grabdenkmals Johanna Stegens.” Lüneburger Anzeigen (1908).


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